Fundraising: „Spender sind kein Zahlvieh!“

Pointierter als Martin Oetting es heute in unserer Diskussion auf dem Fundraising-Kongress ausgedrückt hat, geht es kaum: „Spender sind kein Zahlvieh!“ Eigentlich drehte sich die von Jochen Voß moderierte Diskussion um Web 2.0. Doch wir alle im Raum kamen gemeinsam schnell zu dem Punkt, dass das Etikett Web 2.0 gar nicht so wichtig ist. Aber dass sich die Öffentlichkeit wandelt. Und dass das neue Denkweisen erfordert. Dass Spender nicht nur mündige Bürger sind, sondern nun auch die Instrumente haben, das öffentlich zu tun, was mündige Bürger eben tun: Recherchieren (zumindest googlen) – zum Beispiel nach Meinungen anderer -, selbst nachfragen, Erwartungen formulieren, aber auch Kritik äußern. Zum Beispiel in ihrem Blog. Aber dass sie auch reine Plakatkampagnen wie die der Kindernothilfe im Netz kritisch diskutieren.

Für viele Nonprofit-Organisationen (und ihre Fundraiser und ihre PR-Leute) bedeutet dies, dass sie gewaltig umdenken müssen. Wie auch Unternehmen müssen sie lernen, dass Top-Down-Kommunikation und One-Voice-Policy nicht mehr funktionieren. Und dass Spender eben nicht außerhalb der Organisation stehen, sondern dass sie durch ihre Geld- (oder Sach- oder Zeit-)Spende sich zum Teil einer NGO oder Initiative machen. Das heißt nicht, dass man jeden Spender in jeder Frage mitreden lassen muss (wobei das Mitreden lassen auch sinnvoll sein kann), aber dass sie z.B. in den Verlauf eines Projektes einbezogen werden sollten.

Hat man das akzeptiert, hat man als Nonprofit-Organisation viel mehr Möglichkeiten als ein kommerzielles Unternehmen. Denn Spender und Ehrenamtliche sind eben nicht einfach Empfänger von Informationen, sondern zu ihnen pflegt man Beziehungen – und im Idealfall gelingt es, sie für die Sache der Organisation auch als Multiplikatoren zu gewinnen – ganz im Sinne des Word of Mouth-Marketings, das offline wie online funktionieren kann. Ich habe da bei Unicef ein gutes Beispiel gefunden. Die Organisation hat eine Kampagne „Du und ich gegen AIDS“ gestartet. Das Besondere an der Online-Kommunikation: Auf der Kampagnen-Site gibt es eine Unterseite, die sich an Blogger wendet: Sie werden gebeten, die wichtigsten Forderungen einer Unicef-Petition in ihren Blogs zu diskutieren, auf die Kampagne aufmerksam zu machen und ihre Leser bitten, die Petition online zu unterzeichnen. Ich habe etwa 80 Blogs gezählt, die sich bislang beteiligt haben (Unicef hat diese vorbildlich aufgelistet und ihnen einen Back-Link spendiert). Den meisten Unternehmen wäre ein solches Anliegen vermutlich um die Ohren geflogen, hätte es sich um ein kommerzielles Produkt gehandelt. Eine NGO findet für eine solche Aktion dagegen leichter Unterstützer.

Noch weiter geht eine Idee des Community Buildings, das wir auch intensiv diskutiert haben. So kann eine NGO natürlich in bestehende Communities wie MySpace gehen und dieses nutzen. Peta ist da sehr aktiv, berichtete Florian Radke. Aber sie könnte auch eine eigene Community bauen, in der sich z.B. Cyper-Aktivisten (und reale) organisieren, ihre Interessensprofile ablegen etc. Nebenbei: Da die Pflege von Spenderdatenbanken für NGOs einen riesigen Aufwand bedeutet, wäre die Pflege der Profile durch die Community (z.B. „nein, ich möchte nie angerufen werden“, „ja, ich kann mir vorstellen für ein Tierschutzthema auch mal auf die Straße zu gehen“) eine große Arbeitserleichterung. Irgendwie wäre eine Mischung aus XING/openBC und MySpace vielleicht ganz attraktiv.

Aller schöner Ideen zum Trotz: Zunächst muss eine NGO ihrer Community natürlich etwas bieten. Zum Beispiel ein Weblog zur Reise des Geschäftsführers ins eigene Projekt in Afrika oder Video-Interviews mit Menschen in Projekten oder oder oder.

Die Diskussion hat mir großen Spaß gemacht, und die Gedanken, über die ich hier berichtet habe, sind im Raum entstanden – in einem tollen Wechselspiel zwischen uns Diskutanten (mit dabei auch Rosella Alicandro von der Welthungerhilfe) und den Kongressbesuchern, von denen sich einige sehr intensiv mit diesen Fragen beschäftigt hatten.