Twitter-Lehrstunde

Schon lustig, welche Dynamiken im Netz manchmal entstehen. Und wenn es um Twitter geht, scheint manches noch viel schneller und wuchtiger abzulaufen. Wie angedeutet, haben wir – also die PR-Studenten unseres Studiengangs Online-Journalismus und ich – gestern einen Workshop zu Internet- Tools gemacht. Eines von vielen Themen: Twitter. Für alle spannend, für manche im ersten Moment fast erschreckend. Denn: Schon der erste Tweet kann für ziemliche Aufmerksamkeit sorgen – und beispielsweise Thema eines Blogbeitrags werden.

Was war geschehen?

Bereits im letzten Semester hatten wir vereinbart, dass in diesem Semester alle Studenten auch Erfahrungen mit Twitter sammeln sollten. Bis gestern vor dem Workshop hatte denn auch gut die Hälfte einen Account (nun fehlen wohl nur noch einer oder zwei). Im Workshop haben wir uns dann nochmal genauer angeschaut, wie die Kommunikation in Twitter funktioniert, welche Befehle es gibt, was Folliower oder Hashtags sind, welche Clients und Tools zu empfehlen sind. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich im gleichen Atemzug von Rollen im Internet gesprochen habe, davon, dass man ein Recht auf Pseudonymität bzw. Anonymität hat und sich z.B. in Twitter unter Pseudonym ein eher privates Netz und zusätzlich unter seinem Namen ein Netz aufbauen kann, dass der öffentlichen Online-Reputation dient bzw. diese eben nicht schädigt. Und dass man seinen Twitter-Strom auch innerhalb einer Gruppe belassen kann.

Wie ich solche Dinge erzähle und auch von Fake-Accounts bekannter Personen oder Marken, haben die Studenten natürlich angefangen, das alles mal auszuprobieren. So war’s ja auch gedacht. Einige haben den ersten Tweet ihres Lebens geschrieben.

Und dann sind wir angefüllt mit Infos in die Mittagspause gegangen.

Genau in dieser Zeit hat sich unser Tun wellenartig weiter bewegt: PR-Blogger Klaus Eck, dessen Twitterstrom ein paar Studenten nahezu gleichzeitig abonniert hatten, hat sich verwundert die Augen gerieben, wo denn plötzlich all die neuen Follower her stammen – und hat einen Blog-Post daraus gemacht. Der wiederum wurde innerhalb weniger Minuten ein paar Mal kommentiert, an ein paar Ecken wurde dazu auch in Twitter diskutiert.

Zurück von der Mittagspause war das für ein paar Studenten doch ein kleiner Schreck, andere waren auf Anhieb begeistert. Klaus hat ein wunderbares Lehr- und Selbsterfahrungsstück zum Thema Live-Kommunikation gegeben.

Kleiner Einschub: Inhaltlich hat er der Sache eine Zuspitzung gegeben, die möglicherweise missverstanden wird: Ausgangspunkt ist nicht unbedingt, ein bestimmtes Tool. Aber: Ich halte es für zwingend notwendig, Mechanismen der Online-Kommunikation zu kennen, nicht nur aus der Theorie heraus, sondern aus der eigenen Erfahrung, schließlich handelt es sichin unserem Fall um einen Studienschwerpunkt Online-PR. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass die Studenten nicht nur wissen sollten, was z.B. eine Website ausmacht, was eine Microsite oder einen Newsletter. Sondern sie sollten u.a. Erfahrungen haben mit kollaborativem Arbeiten (etwa am Beispiel von Wikis), mit Personal Web Publishing (z.B. Blogs, Podcasts), Social Networks (z.B. Xing, Facebook etc.) oder Aggregation und Livekommunikation (z.B. Social Bookmarks, FriendFeed, Twitter/Mcroblogging). Ich meine, dass man für den speziellen Job, für den sich unsere Studenten qualifizieren wollen, v.a. die kommunikativen Mechanismen im Internet kennen sollte. Im Lauf des Semesters werden wir dann anschauen, was NGOs und Unternehmen damit machen, machen könnten oder besser nicht sollten (sofern man das so einfach sagen kann). Ich würde aber aus meiner engen Perspektive niemals behaupten, dass man zur Qualifikation für andere Berufe Twitter oder andere Tools bzw. Formate nutzen muss. Das sollen jeweils die Fachleute für diese Berufe einschätzen.

Und was können wir noch erreichen? Neben dem Verständnis der Kommunikationsgegenwart dient das Ganze natürlich dem persönlichen Reputationsmanagement der Studenten. Deshalb haben wir uns auch dafür entschieden, nicht eine geschlossene Gruppe zu starten, und wir haben uns als Ziel gesetzt, dass jeder versuchen soll, sich mit ein paar Leuten außerhalb des Kurses zu vernetzen. Watch out: Einige haben schon offensiv damit begonnen ;-)

Übrigens hat mein Kollege Heinz Wittenbrink von der FH Joanneum in Graz heute mit seinen Studenten was ganz ähnliches gemacht – ich konnte in den letzten Stunden viele neue Follower aus Graz begrüßen. Und weil wir in Graz und Darmstadt teilweise recht ähnlich ticken, werden wir Dozenten und Studenten in diesem Semester noch ein bisschen weiter vernetzen…

Ähnliche Artikel:

12 Kommentare

  1. Bis vor kurzem wusste ich gar nicht, dass es überhaupt einen Studiengang Online-PR in Deutschland gibt. Twitter sei Dank, hat sich das geändert. Als ich vor über 6 Jahren mein Studium der Kommunikationswissenschaft in Essen abschloss, war Online-PR allenfalls eine begriffliche Nische, die für uns Studenten nicht mit Leben gefüllt war. Umso toller finde ich, dass Ihre Studenten das so anschaulich gezeigt bekommen. Als erste Generation der „Digital Natives“ unter den Studenten haben sie eine große Chance das Know-how in kurzer Zeit zu lernen, was unsereins über Jahre erarbeitet hat.

    Like

  2. Danke schön für das so positive Feedback.

    Muss allerdings gerade rücken, dass es sich um einen optional wählbaren Studienschwerpunkt innerhalb des Studiengangs Online-Journalismus handelt.

    Like

  3. Hallo Herr Pleil,

    Danke fuer die Antwort im PR-Blogger und den Hinweis auf diesen Beitrag. Sicherlich war meine Antwort ebenso zugespitzt wie die Formulierung von Herrn Eck. Mein Anliegen war lediglich der Versuch, den Boden der Tatsachen nicht unter den Fuessen zu verlieren mit leichtem Augenzwinkern zu Kommentaren, die sich scheinbar ernsthaft dem Twittergewitter als unabdingbares Tool fuer den heutigen Bewerbungsmarkt zugesprochen fuehlten.

    Aber die potentielle Dynamik der Onlinekommunikation, veranschaulicht an diesem Beispiel, ist jedesmal aufs Neue grandios und faszinierend.

    Like

  4. Wie meinen?

    Ernsthaft: Es gehört zum Kern des Fachhochschulstudiums, Brücken zu schlagen zwischen Theorie und Praxis. Und ich behaupte mal ganz frech, dass man Online-Kommunikation nicht durch ein klassisches Studium verstehen kann. Morgen wird’s übrigens in einem Seminar u.a. um die Theorie des Social Web gehen, und dazu durften die Studenten ganz klassisch einen wissenschaftlichen Text studieren ;-)

    Like

Kommentare sind geschlossen.